Von Ungarn nach Serbien

Bei Regen und sehr angenehmen Temperaturen bin ich morgens in Budapest losgefahren. Zur Mittagszeit sprach mich ein älterer Herr in einer kleineren Stadt an, er interessierte sich für meine Reise und würde mir gerne weiterhelfen. Er hat eine Weile im Ruhrgebiet gelebt und spricht deshalb Deutsch. Er erkundigte sich nach meinem Weg und ich zeigte ihm die Karte auf meinem Smartphone. Er schien aber nicht zu verstehen, dass man damit navigieren kann und hat mich zu sich eingeladen, wo er mir in einem Straßenatlas den Weg bis zur serbischen Grenze erklärte. Als wir uns verabschiedeten, bestanden er und seine Frau darauf, dass ich den Atlas mitnehme. Ich versuchte noch einmal klarzustellen, dass das nicht nötig sei, da ich digitale Karten zur Verfügung habe. Sie legten schließlich den Atlas auf mein Fahrrad, sagten Tschüss und verschwanden in ihrer Wohnung. Von nun an hatte ich also ein kleines Accessoire dabei, von dem ich mich erst wieder in Serbien trennte.
Südlich von Budapest gibt es viele Ferienhäuser, zahlreiche Stege führen durch Schilfgräser ans Wasser. Camping ist hier nicht möglich, da es keine freien Flächen gibt. Auf der anderen Flussseite entdeckte ich aber zahlreiche Autos, Zelte und Wohnwagen. Zuerst dachte ich an einem Campingplatz, aber nachdem sich das über mehrere Kilometer gezogen hatte, ging ich davon aus, dass sich dort jeder hinstellen kann, der möchte. Später stellte sich jedoch heraus, dass dies alles Privatgrundstücke sind und Zelten ebenso schwierig ist. Aufgrund dessen bin ich ein Stück von der Donau weggefahren und habe ein ruhiges Plätzchen auf einem Feld gefunden. Ruhig war es aber nicht lange, es war Samstagabend und in der Nähe fand eine große Feier statt. Die Band spielte bis 4 Uhr.

Auf einer Landstraße überholte mich ein Auto mit Waiblinger Kennzeichen. Während ich noch darüber nachdachte, ob mir Auto und Kennzeichen bekannt vorkommen, entdeckte ich Thomas mit seinem Liegerad in meinem Rückspiegel. Dass wir uns so schnell wiedersehen, hätten wir beide nicht gedacht. Die nächsten zwei Tage fuhren wir gemeinsam und trafen abends auf den Campingplätzen auf (einen weiteren) Thomas und Christiane. Ich verbrachte eine schöne Zeit mit den Dreien und in Baja verabschiedete ich mich am Morgen von Thomas, der eine Pause einlegte, und Thomas & Christiane, die mit dem Zug in Richtung Heimat fahren mussten. Auf den letzten 20 Kilometern vor Serbien – die Straße verläuft parallel zur Grenze – stehen alle paar hundert Meter Polizisten und kontrollieren die weiten Felder zwischen der Donau und der Straße auf der ich mich befand. Nachdem der serbische Beamte meinen Pass inspiziert und gescannt hatte, sagte er „Zollkontrolle“ und ich parkte mein Fahrrad neben einem Metalltisch. Der Grenzbeamte verließ sein Häuschen und verschwand in dem gegenüberliegenden Gebäude. Nachdem ich ein paar Minuten gewartet hatte, tauchte er wieder auf und gab mir zu verstehen, dass ich weiterfahren könnte. Ich bin mir nicht sicher, ob die „Zollkontrolle“ ernst gemeint, und er auf einmal etwas anderes zu tun hatte, oder das ein Witz (ohne Andeutung eines Lächelns) war.

Mit immer näherkommenden Gewitterwolken bin ich die ersten 30 Kilometer auf serbischen Boden gefahren bis ich die Stadt Sombor erreichte. Mit dem Einsetzten des Regens traf ich auf dem Campingplatz von Predrag und Ivanka ein, welcher sehr gemütlich und familiär ist. Mein Zelt durfte ich in ihrem Garten aufschlagen, in dem auch Obst und Gemüse wächst, welches die Gäste verzehren dürfen. Predrag hat so viele Tipps und Informationen für die Stadt und ihre Umgebung und den nächsten Donauabschnitt auf Lager und recherchierte für mich sogar mögliche Routen durch Serbien. Mir hat es bei den Beiden so gut gefallen, dass ich mich spontan dazu entschied einen weiteren Tag hier zu verbringen. Ich machte ein paar Erledigungen in der Stadt und verbrachte den Nachmittag im Freibad. Wasserball und Fußballtennis scheinen, wie in Ungarn, die Lieblingssportarten der Jugend zu sein. Einen richtig netten Abend verbringe ich mit Thomas (genau, der Liegerad-Thomas; ist zufällig einen Tag später auf demselben Campingplatz gelandet), Sylvie und Kane. Kane ist seit sechs Jahren mit dem Fahrrad in der Welt unterwegs. Sein Rad ist voll bepackt, es wiegt 70 Kilo, er war schon auf allen Kontinenten (bis auf der Antarktis) und befindet sich nun auf dem Nachhauseweg. Voraussichtlich wird er Japan im nächsten Jahr erreichen.

In den nächsten Tagen fuhr ich mit Thomas von Strand zu Strand. Wir sind sehr langsam unterwegs gewesen, spulten nicht sehr viele Kilometer ab und fragten am Abend die Besitzer von Restaurants und Bars, ob wir in der Nähe unsere Zelte aufschlagen könnten. Wir haben viele freundliche Serben getroffen, auf der Straße wurden wir durch Zurufe und Klatschen angefeuert und gegrüßt, die Räder werden so gut wie nie abgeschlossen. Dazu führt der Radweg durch schöne, wilde Natur, aber auch auf schmalen Wegen, die vor allem für Thomas in seinem Liegerad sehr holprig und anstrengend waren.

Ein schöner Start in Serbien. Ich freue mich auf die nächsten Wochen, die ich in diesem Land verbringen werde.

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4 Kommentare zu „Von Ungarn nach Serbien“

  1. Hallo Moritz,

    es ist klasse wie Du Dich durchschlägst und immer neue Erfahrungen in den einzelnen Ländern für Dich mitnimmst. Die fürsorglichen, älteren Mitmenschen die Dir einen Atlas schenken und Deine Weggefährten auf der Straße oder am Campingplatz sind jeder für sich einzigartig und etwas Besonderes. Ich kann mir durch Deine Fotos nur annährend ein eigenes Bild von Deinen Erlebnissen machen.
    Ich freue mich auf Deine nächsten „Reiseberichte“ auf Deiner weiteren Route.
    Bleib gesund und pass auf Dich auf.

  2. Lieber Moritz,
    schöne Grüße aus der Provence. Wir sind ausnahmsweise nicht mit dem Fahrrad hergefahren!
    Dein Wochenrückblick war wieder toll geschrieben und Sonntag ist für uns immer ein Muss-Tag um deine Seite mit den neuesten Berichten zu lesen.
    Wir wünschen dir viele weitere interessante Begegnungen, keine Fahrradpanne und zunächst noch eine gute Zeit in Serbien.

    1. Vielen Dank. Diesen Sonntag wird allerdings (noch) nichts kommen. Ich bin auf dem Land unterwegs, werde etwas schreiben sobald ich wieder in einer größeren Stadt bin. Ihr könnt euch morgen also an den Strand legen und müsst nicht den ganzen Tag über auf Neuigkeiten von mir warten.
      Ich wünsche euch einen schönen Urlaub.

      Viele Grüße!

      1. Lieber Moritz, das ist schade. Tatsächlich habe ich heute auch schon daran gedacht, dass es morgen endlich wieder Neuigkeiten von dir gibt. Wir denken oft an dich und reden mit Freunden und der Familie über deine Reise. Und ich bin froh um jeden Tag an dem du abends gesund und munter in den Schlafsack kriechst … Wir denken an dich!

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