Österreich, Slowakei, Ungarn: Tour de Hauptstädte

In Wien bin ich, wie in den anderen Städten zuvor auch, erst zur Mittagszeit losgefahren. Nach ein paar Kilometern – ich hatte Wien noch nicht verlassen – hat mich Ferdinand nach einer Pumpe gefragt. Er hatte einen Platten, hatte diesen schon geflickt und müsste nun nur noch Luft in den Schlauch lassen. Beim Aufpumpen haben wir allerdings bemerkt, dass er wohl ein zweites Loch übersehen hatte. Da er kein weiteres Flickzeug dabeihatte, bin ich zu meinem Fahrrad, welches ein paar Meter weiter weg stand, gegangen und habe mein Reperaturset geholt. Ich staunte nicht schlecht, als ich beim Zurückkommen beobachtete wie Ferdinand versuchte den Mantel mit einem Messer abzuziehen. Es war also kein Wunder, dass wir bei näherer Betrachtung des Schlauches mehrere Löcher und einen zwei Zentimeter langen Schnitt entdeckten. Sechs Flicken später entschied sich Ferdinand dazu zu laufen und mit der U-Bahn nach Hause zu fahren.
Von mehreren Personen hatte ich gehört, dass der Abschnitt Wien – Bratislava sehr schön zu fahren sein soll, weil er durch Wälder und einen Nationalpark führt. Seit Oktober 2017 werden allerdings die Dämme saniert, was diesen Abschnitt unbefahrbar macht. Die Umleitung ist zwar sehr gut ausgeschildert, jedoch fährt man überwiegend über Landstraßen. Falls also jemand plant demnächst einen Teil des Donauradweges zu fahren, die Strecke Wien-Bratislava ist bis Ende der Sanierungsarbeiten Ende 2020 nicht zu empfehlen.

Mittlerweile habe ich viele Radler getroffen, die bis zum Schwarzen Meer unterwegs sein wollen, unter anderem einen Karlsruher Studenten, dem seit Passau zwei Speichen in seinem Hinterrad fehlen (getroffen habe ich ihn kurz vor Bratislava). Es ist beruhigend zu wissen, dass man mit einem unvollständigen Laufrad noch so weit fahren kann.

Nachdem ich mich zwei Stunden in Bratislava aufgehalten hatte, habe ich gleich zwei Mal die Auffahrt auf den Eurovelo 6 (Radweg von der Atlantikküste bis zum Schwarzen Meer; ab Donaueschingen führt er immer an der Donau entlang) verpasst. Die kleineren (Rad-)Wege sind nicht mehr eben, es gibt viele Schlaglöcher und der Asphalt ist durch Wurzeln zum Teil stark gewölbt. Es war eine sehr holprige Angelegenheit bis kurz hinter Bratislava. Ab hier führte wieder ein perfekter Radweg auf einem Damm an der Donau entlang. In der Slowakei habe ich die ersten Änderungen an meinem Fahrrad vorgenommen. Die Positionen von Sattel, Lenker und Rückspiegel wurden angepasst um eine angenehmere Sitzposition und einen besseren Blick nach hinten zu haben. In einem Restaurant bin ich auf drei Rentner gestoßen, die einen Tagesausflug von Bratislava in eine 70 Kilometer entfernte Stadt machten. Bei der Hitze sollte man immer schön darauf achten hydriert zu bleiben und so wollten mich die drei Herren dazu überreden mit ihnen ein Bier zu trinken. Ich habe dankend abgelehnt. Es war 9.30 Uhr und ich hatte noch nichts gefrühstückt.
Nach zweieinhalb Tagen in der Slowakei ging es auf die andere Donauseite nach Ungarn. Obwohl beide Länder eine ähnliche Bevölkerungsdichte haben, ist die ungarische Seite viel dichter besiedelt. Der Radweg führt nicht mehr durch ruhige Natur, sondern durch Städte und Dörfer und man fährt zum Teil auch auf Landstraßen. In einem Dorf habe ich mir meine Flaschen, wie ich im Nachhinein feststellen musste, mit Thermal-Mineralwasser auffüllen lassen. Mit meinem Wasserfilter ließ sich der Geschmack ein wenig neutralisieren und ich hatte nicht mehr das Gefühl aus einem Thermalbecken zu trinken.

In der Slowakei und auch in Ungarn lässt es sich sehr schön am Damm oder Strand übernachten. Die Menschen stört es überhaupt nicht, wenn man zwei Meter vom Weg entfernt sein Zelt aufschlägt. Kurz hinter Esztergom, ehemalige Hauptstadt Ungarns und bekannt für eine Basilika, wurde mein Zelt am späten Abend und in der Nacht von einem Tier „angegriffen“. Die Folge sind mehrere Löcher im Außenzelt, eine symmetrische und leicht sichelförmige Anordnung von Löchern lässt mich auf ein Tier mit Krallen schließen. Da ich kein Hecheln oder Bellen vernehmen konnte, vermute ich auf eine Katze. Am nächsten Morgen musste ich meinen ersten Platten flicken, kurz danach beim Warten auf eine Fähre habe ich den ersten Langstreckenradler getroffen. Thomas kommt aus Münster, ist mit einem Liegerad/Trike unterwegs und möchte bis nach Indonesien radeln. Es war schön ein paar Stunden mit einem Gleichgesinnten zu verbringen und sich zu unterhalten. Wir sind bis Vác, Thomas‘ Ziel für den Tag, gefahren, für mich ging es noch weiter bis nach Budapest. Wir sind aber guter Dinge, dass wir uns noch einmal begegnen werden, da wir eine ähnliche Route durch die selben Länder geplant haben.

Der Weg nach Budapest war etwas abenteuerlicher als gedacht, als der Radweg abrupt endete. Auf der viel befahrenen Schnellstraße, die direkt nach Budapest führte, waren Fahrräder nicht erlaubt. Über Umwege durch ein Industriegebiet und kleine Trampelpfade hatte ich nach einer dreiviertel Stunde wieder einen Fahrradweg unter meinen Rädern.
Als ich gegen 18 Uhr in der Innenstadt Budapests ankam und mich auf den Weg zu einem Campingplatz machte, erreichte mich plötzlich eine Nachricht von Daniel. Er hätte gerade Mittagspause (seine Arbeitszeit richtet sich nach einer amerikanischen Zeitzone), wenn ich noch keinen Schlafplatz gefunden hätte, könnte ich schnell vorbeikommen und meine Sachen ablegen. Gesagt, getan. Dass die meisten Anfragen und Zusagen auf Couchsurfing spontan ablaufen ist mir mittlerweile bewusst, aber die Spontanität von Daniel hat mich doch sehr überrascht.
Ich war auf jeden Fall froh, dass das noch geklappt hat und habe zwei sehr entspannte Tage in Budapest verbracht.

Von West nach Ost durch Österreich
Von Ungarn nach Serbien

5 Kommentare zu „Österreich, Slowakei, Ungarn: Tour de Hauptstädte“

  1. Die Städtenamen werden immer exotischer und unaussprechlicher!! Wieder alles sehr schön geschrieben und beschrieben.
    Besonders das „Bierfrühstück“ fand ich sehr amüsant. Nehm dir Jan Ullrich besser nicht mehr zum Vorbild, er hat die letzten Tage doch einiges an Problemen bekommen.
    Weiterhin eine gute Reise und ich freue mich auf die nächste Etappe!

  2. Hallo Moritz!

    Dein Reisebericht wird ja immer
    Spannender und interessanter…
    Toll, das du so gut in Tritt gekommen bist. Wir wünschen dir noch eine
    Gute und entspannte Fahrt…
    Liebe Grüße
    Manfred und Ute

  3. Hallo Moritz,
    es ist schön dass Du so flott vorankommst und den ersten „gleichgesinnten“ Langstreckenradler getroffen und einen Teil Deiner Strecke mit ihm zurückgelegt hast! Abenteuerliche Umwege durch fehlende Fahrradwege meisterst Du mit Bravour. Nach dem ersten Platten wünsche ich Dir für die nächste Etappe eine pannenfreie und gute Fahrt Richtung Schwarzes Meer. Danke bisher für die schönen Bilder und tollen Kommentare.

  4. Hallo Moritz,
    toll, was Du schon alles gemeistert hast!!!
    Spannend zu lesen und sehr schöne Photos .
    Komm weiterhin gut voran und hab schöne Erlebnisse und Begegnungen.

    Liebe Grüße aus Berlin

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