Serbien: Nationalpark Tara

Abfahrt in Kragujevac, die ersten Kilometer liefen sehr schleppend. Obwohl ich zwei Tage Pause hatte wollten die Beine nicht so Recht, ich hatte einfach keine Power. Um die Fahrt ein wenig angenehmer zu gestalten suchte ich nach meinen Kopfhörern und hörte zum ersten Mal während dem Fahren Musik. Meine Stimmung stieg um 120%, auf einmal waren die Berge nicht mehr ganz so steil und ich hatte richtig gute Laune. Die nächsten Kilometer vergingen wie im Flug, allerdings nahm ich die Umgebung überhaupt nicht mehr wahr. Den Blick starr nach vorne gerichtet, die Ohren lauschten der Musik und den Autos, die mich überholten, und den Rest blendete ich komplett aus. Die Strecke führte mich wieder auf ruhigen Landstraßen durch Dörfer und da es keine ebenen Grasflächen gab, wo ich unbeobachtet gewesen wäre, fragte ich die Bewohner eines Hauses, ob ich neben ihrem Grundstück zelten dürfte. Dies war für sie kein Problem, ich sollte mein Zelt sogar in ihrem Garten aufschlagen und es begann die unglaubliche Gastfreundschaft der Familie Mijailovic. Ich bekam einen Berg von Abendessen, dazu Kirschsaft, Bier und Himbeerschnaps sowie ein Frühstück am nächsten Morgen serviert, obwohl ich mehrmals darauf bestanden hatte, dass ich mein eigenes Essen kochen könnte. Kurz vor der Abfahrt hatten sie mir noch mehr Essen zum Mitnehmen hingelegt, meine Taschen waren noch nie so prall gefüllt. Ich war total geplättet mit welch einer Gastfreundschaft mich die Familie empfangen hat. Ich habe mich hier sehr wohl gefühlt und war ein wenig traurig am nächsten Tag schon wieder zu gehen. Dieses Erlebnis hat mich noch die nächsten zwei Tage beschäftigt, weil ich nicht so Recht begreifen konnte, wie herzlich mich Mara, Goran, Andrea und Nikola empfangen hatten.

Über Čačak und Užice ging es nach Kremna, wo ich nochmal eine Nacht auf einem Campingplatz verbrachte, dessen Besitzer letztes Jahr mit seinem Birnenschnaps den ersten Platz bei einem balkanweiten Schnapswettbewerb belegt hatte. Die Medaille und den Pokal präsentierte er stolz neben seiner Destillationsanlage. Am nächsten Morgen ging es durch Kiefernwälder Serpentine für Serpentine bergauf in den Nationalpark Tara. Mit Hilfe einer Navigations-App habe ich mir eine Route erstellen lassen, die mich an diesem Tag über drei Aussichtspunkte durch den Nationalpark und auf der anderen Seite ins Tal führen sollte. Der Weg zum ersten Aussichtspunkt hat irre viel Spaß gemacht. Ich war nicht mehr auf asphaltierten Straßen, sondern auf schmalen Wanderwegen unterwegs und bin Downhill durch den Wald gefahren. Den zweiten Aussichtspunkt habe ich aber nicht erreicht, weil der Weg dorthin etwas mehr Zeit in Anspruch genommen hatte als geplant. Kniehohe Baumstämme und knöcheltiefe Matschpfützen waren meine Hindernisse über die ich mein Fahrrad lupfen beziehungsweise hindurch schieben musste. Es war zwar anstrengend, zugleich aber auch eine lustige Erfahrung. Trotzdem war ich froh als ich wieder einen Schotterweg unter meinen Rädern hatte, welcher mich zum letzten Aussichtspunkt und anschließend in das Drinatal führte. 700 Höhenmeter bergab über groben Schotter, meine Arme fühlten sich danach an wie Wackelpudding.

Am nächsten Morgen entdeckte ich zu meiner Überraschung Wegweiser für einen Fahrradweg und ich entschied mich spontan dazu diesen Schildern zu folgen. Der Weg führte zuerst an der Drina und am Perućacsee entlang, dann bog ich auf eine wunderschöne Straße ab, die mich an einem Bach entlang durch Wälder und Felsen immer weiter bergauf führte. Als der Asphalt einem ziemlich üblen Schotterweg weichte, wurde das Fahrrad die nächsten zwei Kilometer geschoben. Oben angekommen sah ich das Drinatal und den Perućacsee wieder vor mir, dieses Mal aber aus weiter Entfernung. Ein tolles Gefühl den Ort zu sehen, an dem ich am Morgen gestartet war. Tags darauf führte mich der Weg weiter durch schöne Natur bis auf 1450 Meter und von da an nur noch bergab. Als zu meiner Überraschung eine asphaltierte Straße auftauchte (auf meiner physischen Karte war die Strecke nur als Schotterweg gekennzeichnet) begann die phänomenale Downhill-Fahrt, die erst in Bosnien und Herzegowina enden sollte.

Die Tage im Nationalpark Tara waren klasse. Auch wenn die Bergauf-Passagen, vor allem auf Schotterwegen, anstrengend waren und ich nur sehr langsam vorankam, entschädigten die schönen Landschaften, die einsame Natur und die immer wiederkehrender Downhill-Passagen (sofern auf Asphalt) für die kräftezehrenden Anstiege.

Durch die Mitte Serbiens
Zwei Wochen in Bosnien und Herzegowina

6 Kommentare zu „Serbien: Nationalpark Tara“

  1. Lieber Moritz,
    manchmal beneide ich Dich um diese Reise, wenn ich auch niemals diese ganzen Strapazen auf mich nehmen würde. Ich habe meinem serbischen Kollegen von Deinem Reisebereicht erzählt und auf die bemerkenswerte Gastfreundschaft hingewiesen. Er hat sich über diese Erkenntnis deinerseits sehr gefreut.
    Wie vielen Bären bist Du bereits begegnet? Die Hinweisschilder stehen ja nicht nur aus Jux in den Wäldern!
    Weiterhin eine tolle Fahrt und bis bald

    1. Hallo Frank,
      du als alter Sportsmann würdest das doch sicher auch hinkriegen. Zur Not hättest du ja auch noch einen Hund zur Verfügung, den du dir vors Fahrrad spannen könntest.
      Bären habe ich leider/zum Glück keine gesehen.

      Viele Grüße

  2. …ich habe mit Goran gesprochen. Er meinte: Ja, da gibt es schon Bären.
    Aber die Landschaftsbilder sind fantastisch und vom Lesen kann man nicht genug bekommen. Und mach weiter so tolle Gute-Laune-Luftsprünge:-))))))))).
    Grüßle

  3. Lieber Moritz,
    für diese tolle Aussicht hattest Du einen anstrengenden und beschwerlichen Anstieg!
    Schöne Belohnung und super Luftsprung!!!

    Weiterhin eine gute und sichere Weiterreise (…ohne Bären) mit vielen neuen positiven Erfahrungen und Eindrücken.

    Liebe Grüße
    Papa

    1. Hallo Papa,
      ich denke der eine oder andere Luftsprung wird noch kommen. Bären habe ich in den letzten Tagen nicht gesehen, mittlerweile bin ich auch nicht mehr im Bärengebiet, also besteht in dieser Hinsicht keine Gefahr mehr.
      Viele Grüße

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