Iran: Über Qom und Kashan nach Isfahan

Wir fuhren auf dem Imam Ali Expressway gen Süden, nach 10 Kilometern trennten sich unsere Wege. Für Seán ging es nach Osten, für mich in den Westen. Nachdem wir uns Ende Januar beim Tourenradlertreffen in Tiflis kennengelernt hatten, hatten wir die letzten zwei Monate fast jeden Tag zusammen verbracht. Etwas komisch ihn davon fahren zu sehen und wieder alleine unterwegs zu sein, niedergeschlagen war ich aber nicht, überwiegte die Vorfreude mehr vom Iran zu sehen. Am Tag der Abfahrt aus Teheran war „Tag der Natur“. Ein Feiertag, den die Iraner und Iranerinnen bei Picknick im Grünen verbringen. Mit Zelten, Lagerfeuer und Essen machten sie es sich auf dem Gras gemütlich. Etwas seltsam, dass sich viele Familien dafür die Grünflächen neben den vielbefahrenen Straßen aussuchten. An einer Polizeikontrolle wurde ich von Mahan, der seinen obligatorischen zweijährigen Militärdienst ableisten muss, hinaus gewunken. Er teilte mir mit, dass ich nicht auf der bald beginnenden Autobahn fahren dürfte. Dies hatte ich auch nicht vor, wählte ich die alte Verbindungsstraße zwischen Teheran und Qom. Wir plauderten eine Weile über Fahrräder, Sprachen lernen und seinen Militärdienst, zum Abschied bekam ich ein Snackpaket der Verkehrspolizei in die Hand gedrückt. Die Dörfer entlang dieser alten Straße waren ausgestorben, kein Restaurant und keinen Markt konnte ich finden und so ging mir am nächsten Tag das Wasser aus. Ohne mein Einwirken hielt kurz danach ein LKW und die zwei Fahrer drückten mir eine Flasche Wasser in die Hand. Nur wenige Kilometer später tauchte ein Rasthof auf der Autobahn auf, die teilweise parallel verlief. Über einen ein Kilometer langen Schotterweg kam ich zum Rastplatz und konnte Essen und Wasser aufstocken.

Ein Auto hielt vor mir, die Türen öffneten sich und mir wurden Äpfel und Orangen gereicht. Dies passierte bei der Einfahrt nach Qom und hat sich schon zuvor einige Male ereignet und sollte sich auch in Zukunft noch weiter wiederholen. Meistens bekomme ich Obst und Süßigkeiten geschenkt, zwei Mal fand die Übergabe während des Fahrens statt.
Im Iran gibt es viele heilige Schreine, einer der bedeutendsten befindet sich in Qom. Hier liegt die Schwester von Imam Reza, einer von 12 heiligen Imamen im Shia-Islam, begraben. Ein Mullah führte mich durch das Gelände, das Betreten des eigentlichen Schreins ist für Nicht-Muslime nicht möglich. Auf dem Gelände befindet sich auch die Azam-Moschee in der der Revolutionsführer Imam Khomeini anscheinend seine ersten Gedanken für die Islamische Revolution vorgetragen hatte. Für viele gilt die Azam-Moschee somit als Ursprungsort der Revolution.

Nach einem kurzen Stopp in Qom ging es wieder auf die Straße Richtung Süden. Die Landschaft wurde immer trockener, braunrote Felsen und Hügel, kaum Vegetation. Trotzdem sah ich mehrere Hirten, dessen Schafe in der staubig trockenen Landschaft von grüner Insel zu grüner Insel zogen. In Kashan traf ich Pezhman, einen Deutsch-Iraner, der seit Jahren mal wieder seinen Urlaub im Iran verbrachte. Während er mich durch die Stadt führte, erzählte er mir, dass er auch auf der Suche nach einer iranischen Frau sei. Seine deutsche Frau, mit der er ein Kind hat und die zu einem späteren Zeitpunkt im Urlaub dazustieß, wisse natürlich nichts davon. Aber das sei eben der iranische Teil in ihm, dagegen könne er sich nicht wehren. Kashan ist ein nettes Städtchen, die Altstadt mit ihren Lehmhäusern und modernen, historischen Häusern aus dem 19. Jahrhundert waren schön anzuschauen. Im Osten der Stadt beginnt die Dascht-e Kavir, die zentraliranische Wüste, im Westen ragen die nördlichen Ausläufer des Kuhrud-Gebirges in die Höhe. Einen halben Tag ging es durch felsige Landschaft bergauf bis ich die Passhöhe auf über 2700 Meter erreichte. Auf der anderen Seite erwarteten mich dunkle Wolken, wenig später fing es zu regnen und hageln an. Glücklicherweise kam ich gerade in einem Dorf an und stellte mich an einer Bushaltestelle unter. Mohammad, der eigentlich den Bus nach Kashan nehmen wollte, lud mich kurzerhand zu sich nach Hause ein, drehte die Gasheizung auf und versorgte mich mit Tee und Essen. Miteinander reden konnten wir nicht wirklich, aber mit Stift und Papier, Händen und Füßen ist eine Unterhaltung dennoch möglich. Nachdem er mir noch eine Führung durch sein Haus gab, das er eigenhändig ausbaut, setzte ich mich nach einer Stunde wieder aufs Rad und fuhr im Trockenen weiter bergab.

Ich fuhr bis Meymeh und begab mich am Stadtrand auf die Felder um ein Übernachtungsplatz zu finden. Hier traf ich auf Hamid und Asghar, die einen Garten haben und mich zu Tee vom Lagerfeuer und später zu sich nach Hause einluden. Mit dem Auto ging es in die Stadt, wir pendelten zwischen Autowerkstatt und Markt, in denen Freunde von ihnen – auch noch spätabends – arbeiteten. Nach der heutigen Bergetappe war ich allerdings ziemlich müde und hungrig, zu Beginn hieß es, dass wir nur eine kurze Runde durch die Stadt drehen würden. Dreieinhalb Stunden später waren wir immer noch unterwegs. Meine regelmäßigen Vorschläge bald nach Hause zu fahren und dass ich mir etwas zu Essen holen beziehungsweise kochen könnte, wurden immer ausgeschlagen. Ich bin der Gast, sie würden sich um alles kümmern, ich sollte mir keine Sorgen machen. Hamid, Asghar und deren Freunde waren super freundlich, aber aufgrund des kleinen Ausflugs, des späten Essens und Schlafens war es ein anstrengender Abend und ich war unglaublich froh als ich nach 12 Uhr im Bett lag.

Die Fahrt in Richtung Isfahan war stressig, so dass ich die letzten 20 Kilometer auf der Autobahn fuhr, wo Fahrräder eigentlich nicht erlaubt sind aber es um einiges entspannter zuging. Auf der Straße zuvor war viel Verkehr und es gab so gut wie keinen Standstreifen. LKWs und Busse näherten sich teilweise mit Dauerhupen von Hinten und bliesen mir ihre Abgase direkt ins Gesicht. Ich hatte öfters das Gefühl nicht richtig Luft holen zu können, zu viel Dreck, zu wenig Sauerstoff. Nase und Rachen fühlten sich „verklebt“ an. Dass die Fahrzeuge mehr Abgase ausstoßen ist mir schon direkt hinter der Grenze aufgefallen, als ich mit Seán aus Aserbaidschan eingereist war. Auf den Straßen ist man so gut wie immer von einer stinkigen Wolke umgeben. Umso schöner war es in Isfahan anzukommen, eine Oase in der Wüste mit Bäumen und Parks.

Ich radelte zu (einem anderen) Asghar, der mich tags zuvor in den Bergen zu sich eingeladen und mir einen Zettel mit seiner Adresse in die Hand gedrückt hatte. Sein Zuhause war gar nicht so leicht zu finden, gab es keine Hausnummer, sondern nur einen Gebäudenamen. Ich fragte in der Nachbarschaft umher, Mahmud, der mich spontan ebenfalls zu sich nach Hause einlud, schnappte sich kurzerhand sein Fahrrad und brachte mich – nach ein paar Telefonaten und Fragerei – zur richtigen Adresse. Die erste Nacht verbrachte ich bei Asghar, die nächsten vier um die Ecke bei Mahmud, wo ich eine komplette Wohnung für mich alleine hatte.

In beiden Familien wurde ich unglaublich nett aufgenommen, fühlte es sich teilweise an in einem Hotel mit Vollpension zu übernachten. Ich hatte ein Bett, es gab (viel zu viel) Essen, meine Wäsche wurde gewaschen, ich musste mich um nichts kümmern. Mahmud erwähnte täglich, dass meine Familie und Freunde, falls sie in den Iran kommen würden, bei ihnen Willkommen seien.
Isfahan gefiel mir gut, wirkte geordneter, strukturierter, weniger stressig als Teheran und hat viel Grün zu bieten. In einem Fahrradladen ließ ich meine Kette tauschen, dazu wurden Kassette und Ritzel geputzt und Lager gefettet. Bei der Polizei beziehungsweise Immigrationsbehörde ließ ich mein Visum um weitere 30 Tage verlängern.

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1 Kommentar zu „Iran: Über Qom und Kashan nach Isfahan“

  1. Hallo Moritz,
    die iranische Gastfreunschaft ist ja umwerfend, so viele hilfsbereite, herzensgute und warmherzige Menschen.
    Trotz der Reglementierungen durch die islamische Regierung und der andererseits jahrelangen Wirtschaftssanktionen lassen sie sich ihre Weltoffenheit und Aufgeschlossenheit nicht nehmen.
    Mahmud`s Einladung nehmen wir gerne an, allerdings sind unsere Reisepläne im Moment andere🌏😊.
    Komm mit genügend Wasser gut durch die Wüste!
    Liebe Grüße
    Mama

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