Von der Türkei nach Georgien

Im letzten Eintrag hatte ich mich zwar schon von der Türkei verabschiedet, dennoch hatte ich noch drei weitere Tage im Land verbracht, diese sollen natürlich nicht unerwähnt bleiben.
Nach dem entspannten Aufenthalt in Trabzon ging die Fahrt entlang des Schwarzen Meeres weiter. Auf meinen letzten Tagen in der Türkei hatte ich noch zwei Begegnungen mit der Polizei. Als ich eine Verkehrskontrolle passieren wollte wurde ich von einem Polizisten hinaus gewunken, meine Verwunderung hielt nicht lange an, denn schon im nächsten Augenblick rief er seinen Kollegen „Çay, Çay!“ zu und lotse mich zum Aufenthaltsbereich. Am Abend fragte ich erneut bei einer Moschee, ob es in der Nähe ein Platz für mein Zelt gäbe. Der Imam teilte mir mit, dass ich meinen Pass zeigen sollte – Polizeikontrolle. Ich war etwas perplex, meinen Pass behielte ich in der Tasche und versuchte die Situation zu verstehen, zumal keine Polizei zugegen war. Keine fünf Minuten später tauchte diese aber mit Blaulicht auf und drei nichtuniformierte Polizisten baten – mit Taschenlampen in mein Gesicht leuchtend – nach meinem Ausweis. Mein Führerschein machte die Runde und wurde alibimäßig inspiziert. Nach ein paar Fragen bezüglich meines Aufenthaltes in der Türkei teilten mir die Polizisten mit, dass es in 500 Meter einen Strand gäbe, an dem ich mein Zelt aufschlagen könnte. Die Herren verschwiegen mir allerdings, dass es aufgrund einer Mitteleitplanke keine Abbiegemöglichkeit gibt und ich eine Fußgängerbrücke zum Überqueren der vierspurigen Straße nehmen musste. Da ich aber wusste, dass auf der anderen Seite ein super Schlafplatz auf mich wartete schleppte ich mein Fahrrad die Treppenstufen hoch und wieder runter. Mich erwarteten Steine mit Durchmessern von einem Meter, der „feine“ Sand direkt am Meer bestand aus faustgroßen Steinen. Dies entsprach nicht gerade meiner Idealvorstellung eines Zeltplatzes und aufgrund der Erfahrungen ein paar Nächte zuvor, als die Wellen an mein Zelt schwappten, war dies keine Option. Zwischen Gemüsebeeten fand ich schließlich eine ebene Betonfläche – mit Pfütze. Einen besseren Platz konnte ich nicht finden und am nächsten Morgen ließ sich der mir versprochene Strand ebenfalls nicht ausfindig machen.

Fünf Kilometer vor der Grenze gab es das letzte türkische Mittagessen in Form von Linsensuppe, Bulgur, Reis und Tee. Ich passierte die letzten Tunnel und fand mich am türkisch-georgischen Grenzübergang ein. Die Beamten teilten mir mit, dass ich mit dem Fahrrad nicht die Straße nehmen darf, sondern mich zum Grenzübergang für Fußgänger begeben sollte. So zwängte ich mich durch einen schmalen Gang bis zur Passkontrolle und schob mein Rad durch einen von drei Seiten mit Wellblech verkleidetem Korridor bis ich die georgische Seite erreichte. Das Prozedere des Gepäckdurchleuchtens wurde mir netterweise erspart. Kurz hinter der Grenze traf ich auf drei Rennradler mit denen ich die 25 Kilometer bis Batumi zurücklegte. Auf meine Frage, ob es einen geeigneten Platz zum Campen gäbe, versicherten sie mir, dass sie etwas finden würden und ich ihnen folgen soll. An der Strandpromenade hielten sie in regelmäßigen Abständen um Polizisten oder Sicherheitspersonal um Erlaubnis zu fragen, diese gewährten das Zelten natürlich nicht. Letzten Endes kamen wir an einer kleinen Grünfläche mitten im Zentrum an, die Herren garantierten mir, dass ich und mein Fahrrad hier sicher wären. Da der potentielle Zeltplatz aber an einer Hauptstraße angrenzte und mehrere Wahrzeichen und Sehenswürdigkeiten Batumis sowie Cafés, Bars und Restaurants nicht weit waren, teilte mir mein Bauchgefühl gegensätzliches mit. Zumal es Samstagabend war und ich keine große Lust auf nächtliche, betrunkene Besucher verspürte. Ich quartierte mich in einem Hostel ein und blieb für ein paar Tage, da ich mich etwas kränklich fühlte. Batumi ist eine zweigeteilte Stadt, zum einen gibt es die Altstadt mit historischen Gebäuden, zum anderen einen modernen Teil vollgepackt mit Hotels und Casinos. Mit tanzenden Fontänen und Lichtshows wird versucht das Las Vegas Georgiens beziehungsweise der Kaukasusregion zu erschaffen. Die Mehrzahl der Casinobesucher kommt aus der Türkei, da dort das Glücksspiel untersagt ist. Der Stadt konnte ich aber nicht viel abgewinnen, im Winter ist nicht viel los, wirkte fast ein wenig ausgestorben.

Auf georgischer Seite, kurz vor der Grenze

Nach ein paar Tagen der Ruhe erlebte ich auf der Straße den Kontrast. Laute Autos und stickige Luft, dazu der anstrengende, georgische Verkehr. Vollgas und Überholen, wann immer es möglich ist. Nachdem ich zwei Mal durch überholenden Gegenverkehr von der Straße gedrängt wurde, hatte ich die Schnauze voll und begab mich auf die erstmögliche Nebenstraße. Auch hier ließ sich noch das ein oder andere spektakuläre Überholmanöver beobachten, allerdings war es doch sehr viel ruhiger und angenehmer zu fahren. Ich radelte durch die Kolchische Tiefebene zwischen dem Nord- und Südkaukasus, deren schneebedeckten Gipfel am Horizont zu erkennen waren. In den Dörfern wurde mir Brot geschenkt und zu Wein und Cha Cha (Weinbrand) eingeladen. Da es die Tage zuvor geregnet hatte, viele Flächen somit noch sehr matschig waren, und zudem viel eingezäunt ist, steuerte ich eines Abends einen Fußballplatz an. Durch das Bellen eines Hundes dauerte es keine zehn Minuten bis der Platzwart auftauchte und mir das Okay zum Zelten gab, sich es dann doch anders überlegte und mir das Büro zur Verfügung stellte. Auf einem Schreibtisch und neben goldenen Siegerpokalen lässt es sich doch sehr gut schlafen.

Gasleitungen schmücken die Straßenränder

Ich fuhr durch Weinanbaugebiete, regelmäßig sah ich Schilder, die mich in Weinkeller locken wollten. Die Männer an den Straßenrändern gaben mir, indem sie mit ihren Mittelfingern an die Kehle oder Halsschlagader schnippten, zu verstehen, dass sie mich zu Wein und Cha Cha einladen wollten. Der Geruch von Alkohol aus ihren Mündern, sowie die Erwartungen Glas nach Glas auf einem Zug hinunter zu kippen, ließen mich meistens weiterfahren. Mittlerweile wieder auf einer wenig befahrenen Hauptstraße, ging es auf über 900 Meter, wo mich auf der Passhöhe ein knapp zwei Kilometer langer Tunnel erwartete. Da dieser keine Belüftung aufwies hing ich gefühlt zehn Minuten am Auspuff eines 50 Jahre alten LKWs – selbstverständlich ohne Kat und Partikelfilter. Während auf der anderen Seite frische Luft meine Lunge durchströmte, fielen die Temperaturen merklich. Noch vor der Dämmerung war der Gefrierpunkt erreicht, eine Nacht im Zelt bei noch tieferen Temperaturen widerstrebte mir. So kam es ganz gelegen, dass wie aus dem Nichts ein Hotel auftauchte. In einem warmen Zimmer lässt sich auch das Abendessen auf einem Benzinkocher bequemer zubereiten. Kein Grund zur Sorge (oder gerade deshalb doch?), ein Rauchmelder war nicht vorhanden.

Ausgeschlafen und ohne das Hotelzimmer abzufackeln fand ich mich am nächsten Morgen nach ein paar Kilometern auf der Autobahn wieder. Bei überraschenderweise wenig Verkehr und einem breiten Seitenstreifen trat ich kräftig in die Pedale und es ging wie im Fluge in Richtung Tiflis – Rückenwind und Gefälle sei Dank. Da ich am frühen Nachmittag schon 100 Kilometer auf dem Tacho stehen hatte, entschied ich kurzerhand die verbliebenen Strecke auch noch zu fahren und einen Tag früher in der Hauptstadt aufzukreuzen. Wie im Rausch, ohne Anzeichen der Erschöpfung, legte ich die restlichen 40 Kilometer zurück und erreichte Tiflis noch bei Helligkeit.

Türkei: Zum Schwarzen Meer
Georgien: Winterpause in Tiflis

11 Kommentare zu „Von der Türkei nach Georgien“

  1. Lieber Moritz,
    vielen Dank für die schönen Eindrücke und der Teilhabe an deiner Reise.
    Ich stelle mir gerade vor, wie auf dem letzten Bild einmal der Hinweis steht: Bejing 80 km😃
    Komme gut durch den Winter und such dir ein warmes Plätzchen zum Überwintern!
    Liebe Grüße, Frank

    1. Hallo Frank,
      ob ich Beijing eines Tages überhaupt erreichen werde ist unklar. Ich fahre aber frei nach dem Motto: „Beijing oder Bangkok – Hauptsache China.“
      Liebe Grüße

  2. Hey Moritz,
    Michi und ich sind wieder einmal ganz von den Socken 😊 wirklich spannend was du alles so erlebst! Obwohl wir alle bestimmt nur einen Bruchteil dessen von dir erzählt bekommen. Ich bin immer ganz gespannt auf deine Berichte und wünsche dir weiterhin so viele tolle, schöne Momente bei deiner Weiterreise, viele liebenswerte Gastgeberfamilien und weiterhin Ausdauer für dein Vorhaben.
    Du kannst wirklich stolz auf dich sein !!!
    Viel Glück und Gesundheit
    Liebe Grüße
    Nina

  3. Lieber Moritz,
    dein Zelt macht ja ganz schön was mit😀.
    …und ich bin immer wieder begeistert von deinen interessanten Berichten.
    Hab eine schöne Zeit in und umTiflis⛷🏓🇬🇪
    Grüßle
    Mama🤗🤗🤗

  4. Hallo Moritz,

    wirklich tolle Bilder und Erzählungen. Ich staune jedes Mal wenn ich etwas neues von dir lese. Wünsche dir weiterhin viel Spaß und tolle Erfahrungen.

    Grüße
    Robin

  5. Hey Moritz,

    hab mich schon leise beschwert, wann wir endlich wieder was von dir hören.. dann hab ich tatsächlich selbst verpasst rein zu schauen 🙂 Wie immer spannend zu lesen und geile Bilder!

    Meine Pläne sind nun auch endlich konkret, ich werde Ende April nach Kalifornien fliegen und den Pacific Crest Trail wandern. Den link zum Blog lasse ich dir zukommen 🙂

    Viel Spaß weiterhin und bleib gesund!

    1. Hey Ricky,
      danke dir.
      Klingt nach einem richtig guten Plan, fände ich klasse, wenn man deinen Trip per Blog verfolgen könnte.

      Liebe Grüße und weiterhin viel Erfolg mit der Arbeit 😉

  6. Servus Moritz,
    Ich muss sagen , dass du sehr mutig bist, sich in den Gebieten aufzuhalten, wo der Arm des Gesetzes nicht unbedingt einreicht, käme für mich nicht in Frage. Und das obwohl ich teilweise aus dem Gebiet stamme.
    Mein Respekt und viel Glück bei der Verwicklung deiner Träume
    Ari

    Ps. Auch wenn vielleicht sehr spät ist, wollte was schreiben.

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert